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Biotechnologie in Zeiten von Corona

Screenshot der Website von BIO Deutschland
Screenshot der Website von BIO Deutschland (verändert)

Interview mit Dr. Oliver Schacht, Vorstandsvorsitzender des Biotechnologie-Branchenverbandes BIO Deutschland. 

 

Biotechnologie in Zeiten von Corona 

 

Wir berichten im RheinZeiger schon seit vielen Jahren auch über Biotechnologie. Die Branche hat sich gerade in den letzten Jahren stark entwickelt, fast 700 Unternehmen sind hier engagiert. Dies lässt sich in den Jahresberichten von BIO Deutschland ebenso nachlesen wie etwa im jährlichen Deutschen Biotechnologiereport von Ernst & Young. Bei den Umsätzen wurden in den letzten Jahren immer wieder Rekordergebnisse erzielt. In der Corona-Pandemie war Biotechnologie „plötzlich“ sehr gefragt. Die Stadt Mainz freut sich heute sehr, dass Biontech mit der Entwicklung eines Impfstoffs so erfolgreich war. Doch haben alle Biotechnologie-Unternehmen von Corona profitiert? Wo steht die Branche und wie sind die Aussichten für die kommenden Jahre? Wir sprachen darüber mit dem Vorstandsvorsitzenden des Branchenverbandes BIO Deutschland, Dr. Oliver Schacht. 

 

RheinZeiger: Wir sind jetzt im dritten Jahr der Corona-Pandemie. Wie hat sich die Krise bisher auf die Biotechnologie-Branche ausgewirkt? 

 

Dr. Oliver Schacht: Die Biotechnologie-Branche hat in der Pandemie beeindruckend zeigen können, wie systemrelevant sie ist. PCR- und Antigen-Tests, Impfstoffe und Antikörper-Therapien, alles wurde in großer Geschwindigkeit entwickelt und zum Wohle der Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Das mediale Interesse an der Biotechnologie und unseren Unternehmen ist schlagartig gewachsen. Die allgemeine Öffentlichkeit nimmt die Begriffe mRNA, PCR und Antigen jetzt ganz selbstverständlich in den Mund. Und das Bewusstsein der Politik für das Potenzial der Biotechnologie wurde ebenso geschärft, zumindest was den medizinischen Bereich angeht. Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung nennt an mehreren Stellen die Biotechnologie, das hat es so früher nicht gegeben. Die Pandemie hat die Branche ins Rampenlicht katapultiert. Trotzdem hätten wir natürlich sehr gerne auf die Pandemie verzichtet. 

 

Finanzierung der Biotechnik-Unternehmen in den letzten fünf Jahren (Grafik: BIO Deutschland)
Finanzierung der Biotechnik-Unternehmen in den letzten fünf Jahren (Grafik: BIO Deutschland)

Lässt sich dieser Boost auch den Geschäftszahlen ansehen? 

 

Im Jahr 2020 stiegen Umsätze (+36%) und Investitionen in Forschung und Entwicklung (+37%) sowie die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (+10%) kräftig. Wir führen dieses starke Wachstum u. a. auf diejenigen Unternehmen zurück, die in der Pandemie-Bekämpfung aktiv waren und sind. Die Gesamtzahl der Unternehmen hat sich 2020 allerdings kaum verändert. Für das Jahr 2021 haben wir jetzt noch keine belastbaren Daten. Wir gehen aber davon aus, dass das Wachstum weiter anhält. Auch die Finanzierung der Branche hatte 2020 – besonders getrieben durch die Impfstoffentwickler – mit 3 Mrd. Euro alle bisherigen Rekorde weit übertroffen. Im Jahr 2021 gelang es den Unternehmen rund 2,3 Mrd. Euro einzuwerben, zwar deutlich weniger als noch 2020, aber im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie immer noch sehr viel und das zweitbeste Jahr. 

 

Sehen Sie vor allem positive Auswirkungen auf die Branche oder gab es auch Unternehmen, denen die Pandemie zu schaffen macht? 

 

Es gab natürlich auch Probleme für unsere Mitgliedsunternehmen wie für viele andere Betriebe auch, z. B. geschlossene Kitas und Schulen, Home Office, Lieferengpässe, Produktionsprobleme etc. Es gab aber auch branchenspezifische Herausforderungen. So mussten klinische Studien verschoben werden bzw. wurden im Ablauf gestört, da z. B. Ressourcen in die Prüfung von Impfstoffen umgeleitet wurden. Alljährlich zum Jahreswechsel führen wir unsere Trendumfrage durch, um einen Eindruck über die Stimmung in der Branche zu bekommen. Wir fragen z. B. nach der Einschätzung zur aktuellen und zukünftigen Geschäftslage. Um den Einfluss der Pandemie besser einordnen zu können, haben wir diese Trendumfrage in den letzten zwei Jahren um Fragen zur Pandemie erweitert. 2021 gaben 64% der Befragten an, dass Ihre Geschäftslage gut sei, fünf Prozent mehr als noch 2020 zu Beginn der Krise. Insgesamt antworteten letztes Jahr 33%, dass die Pandemie einen Einfluss auf die Geschäftslage habe, 2020 sagten das noch 40%. Der Einfluss der Pandemie auf die Geschäftslage nimmt also wieder ab. 

 

Dr. Oliver Schacht, Vorstandsvorsitzender von BIO Deutschland
Dr. Oliver Schacht, Vorstandsvorsitzender von BIO Deutschland

Gehen Sie davon aus, dass der Boost für die Biotech-Branche Bestand hat? 

 

Nach zwei intensiven Jahren für die Branche, mit vielen emotionalen "ups and downs“ haben wir den Eindruck, dass die Politik die Bedeutung und das Potenzial der Biotechnologie inzwischen verstanden hat. Allerdings vermissen wir im Moment noch den Willen, wirklich bald etwas substanziell zu verändern, damit mehr Unternehmen gegründet werden und diese Unternehmen auch wachsen können. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung steht vielversprechend aber auch etwas vage, dass „Deutschland das Potenzial hat, zum führenden Biotech-Standort zu werden“. Das ist natürlich richtig, aber dafür brauchen wir auch den politischen Willen, Mut und entsprechende Umsetzung in verbesserte Rahmenbedingungen. Dafür sehe ich aber im Moment noch recht wenig Anzeichen. Auch unsere Unternehmen sind verhalten, wenn es um die Einschätzung des zukünftigen politischen Klimas geht. Diese Frage hatten wir ebenfalls in unserer Trendumfrage gestellt. Für das Jahr 2021 hatte sich die Einschätzung des erwarteten politischen Klimas im Vergleich zum Vorjahr stark verbessert. Für das Jahr 2022 war keine weitere Verbesserung mehr zu sehen, obwohl ein Regierungswechsel stattgefunden hatte. 

 

Was wünscht sich Ihr Verband von der Politik für die nächsten vier Jahre? 

 

Wir haben schon oft gefordert, dass die Biotechnologie zur Chefsache erklärt wird. Die Biotechnologie gehört auf die Tagesordnung der Politik, ein breiter öffentlichen Dialog über diese Schlüsseltechnologie sollte jetzt gestartet werden. Wir müssen außerdem unseren Biotech-Standort stärken. In der Pandemie haben wir gesehen, wie abhängig wir in Europa von weit entfernten Produktionsstandorten sind. Wir sollten nun alles daran setzten, die Produktion hochwertiger biologischer Arzneimittel am Standort zu halten und auszubauen. Außerdem müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, die es unseren Unternehmen ermöglichen hier in Deutschland und Europa ausreichend Kapital für Forschung und Entwicklung und das Scale-up und Kommerzialisierung einzuwerben. 

 

Zudem kann die Biotechnologie viel mehr bieten, als nur Infektionsschutz oder Arzneimittel. Wir bieten Lösungen für die nachhaltige industrielle Produktion und können innovative Produkte liefern, die nachhaltiger sind als herkömmliche, z. B. bei Verpackungen oder Biokraftstoffen. Auch beim Thema Klimawandel und Energiewende wird es langfristig nicht ohne Biotechnologie gehen. Wir haben Bioökonomie-Strategien für Deutschland und Europa, wir hatten gerade zwei Jahre Wissenschaftsjahr Bioökonomie, das richtungsweisende „Cologne Paper“ zur wissensbasierten Bioökonomie wird dieses Jahr 15 Jahre alt. Dennoch verbindet die Allgemeinheit mit der Bioökonomie immer noch relativ wenig. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig.

 

Herr Dr. Schacht, wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch!

 

 

www.biodeutschland.org

 


Deutsche Biotechnologietage 2022 in Hamburg

 

Die Deutschen Biotechnologietage (DBT) 2022 finden am 4. und 5. Mai in Hamburg statt. Die Veranstaltung gilt als nationales Forum für die deutsche Biotechnologie-Branche, beim dem sich Unternehmerinnen und Unternehmer mit Wissenschaftlern und Partnern aus Politik, Förderinstitutionen und Verwaltung austauschen. Die Deutschen Biotechnologietage werden von BIO Deutschland und dem Arbeitskreis der deutschen BioRegionen ausgerichtet. Gast-gebende Region ist 2022 die Life Science Nord aus Hamburg. Die Arbeitsgruppe BioParks des BVIZ wird auch in diesem Jahr wieder mit einen Gemeinschaftsstand auf den Biotechnologietagen vertreten sein. 

 

www.biotechnologietage.de

 

 

Das Programm lässt eine hoch interessante Tagung erwarten. Hier steht es zum Download bereit.

 

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DBT2022_Programm.pdf
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