Ist Lernen heute ein technisches Thema?
Lernen – ein Thema, welches Unternehmen mehr und mehr beschäftigt. Nicht erst seit Digitalisierung und Corona ist dies aktuell. Allerdings sind die Instrumente heute vielleicht anders. Wie also steht es um die Lerninfrastruktur heute? Ist Lernen einfach eine Frage der Technik?
Nein, Lern-Infrastruktur, so wie wir dies verstehen, ist nicht ein rein technisches Thema. Es hat auch etwas mit Technik zu tun, aber es geht um mehr: Es geht um die Frage, was erfolgskritisch ist für die Zukunft einer (Lernenden) Organisation. Dieses „Mehr“ wird benötigt, um die Organisation weiter zu entwickeln. Wenn nur auf Technik gesetzt wird, kommen die spielentscheidenden Aspekte wie Menschen, Prozesse und Strukturen deutlich zu kurz. Es geht hier um einen ganzheitlichen, nachhaltigen Ansatz. Genau dieser Ansatz ist es, was eine „Lern-Infrastruktur“ ausmacht. Sie ist das tragende Element für eine „Lernende Organisation“.
Was ist Lern-Infrastruktur?
Das Modell einer ganzheitlichen, gemanagten Lern-Infrastruktur basiert auf vier Eckpfeilern:
Prozesse optimieren (Steuerungs-, Stützungs- und (!) Kernprozesse
Content applizieren (Bereitstellung eigener und fremder Inhalte und Formate)
Technik konfigurieren (Maßschneidern von IT-Komponenten gemäß Bedarf)
Monitoring und Optimierung realisieren (Wirksamkeit permanent prüfen und steuern)
Prozess als Wertschöpfungskette verstehen
Wertschöpfungsketten sind in einer Organisation, gerade im Dienstleistungsbereich, der zentrale Punkt. Hier steht Effektivität und Effizienz im Vordergrund. Charakteristisch für Wertschöpfungsketten ist, dass jeder Abschnitt ein Ergebnis ausweist und dass sie bereichsübergreifend, über organisatorische, hierarchische und ggf. Unternehmensgrenzen hinweg verlaufen.
Was bedeutet dies für den Prozess „Präsenzveranstaltung managen“, wenn an der Schraube „Technik“ gedreht wird und die Veranstaltung nicht mehr physisch vor Ort, sondern virtuell durchgeführt wird. Hier gilt es den Optimierungsbedarf hinsichtlich der Komponenten Mensch, Prozesse, Technik und Strukturen zu erkennen und sprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Zukünftig kommt den Prozessen der Wissensgenerierung und des -austausches sowie der Selbststeuerung der einzelnen Person und des Kollektivs besondere Bedeutung zu, da sich die Technologie und das Lernverhalten stark ändern wird.
Content als neutralen Inhalt verstehen
Unter Content wird hier jede Form von Inhalten, unabhängig von dem Darstellungsformat und des Ursprungs (etwa intern oder extern) verstanden. Gerade die Organisation von intern vorhandenem Wissen ist von besonderer Bedeutung und bildet oft das Fundament der geschäftlichen Tätigkeiten der Organisation. Dieser Content ist meistens fach- und/oder unternehmensspezifisch, aber auch individuell und personenbezogen und liegt in unterschiedlichen Formaten vor wie zum Beispiel Beschreibungen oder Abbildungen. Die Vermittlung erfolgt durch unterschiedliche Lernformate wie Präsenztraining, E-Learning oder auch Selbst-studium.
Für die Zukunft ist es erfolgskritisch, auch unter dem Aspekt des demographischen Wandels, dass diese Inhalte in der Organisation gesichert, aktualisiert und weiterentwickelt werden. Hier sollte die Lern-Infra-struktur der Organisation der zentrale Sammelpunkt sein, um den bestehenden Content zu erfassen, anzupassen, neuen Content hinzuzufügen und vor allem einfach auffindbar und nutzbar zu machen – unter Anwendung der Regeln der Datensicherheit und des Datenschutzes.
Neuer Content, intern erstellt oder extern beschafft, sollte durch ein Qualitätssicherungsverfahren allen berechtigten Nutzern gleichermaßen zur Verfügung gestellt werden. Wenn zum Beispiel der Content, lernformübergreifend, nach dem Nutzen dargestellt und mit „*****“ (Sternen) bewertet wird, kann der User bei der Suche etwa nach Excel-Pivot-Tabellen sehr schnell erkennen, wie das Angebot aus Videos, der Beschreibung (PDF) oder die Web Based Trainings (WBT) bewertet wurden und seine Auswahl für sein individuelles Lernen treffen.
Bezogen auf die Organisation bedeutet Content applizieren, dass Prozesse zum Content-Management geschaffen und gelebt werden müssen und die notwendigen Strukturen vom Management hierfür gewollt und installiert werden. Die IT-Technik muss den Zugriff und die Verfügbarkeit für die unterschiedlichen Nutzergruppen sicherstellen.
Technik als Fazilitäter verstehen
Die Digitalisierung und das mobile Arbeiten verstärken sich stetig. Auf der einen Seite ist die technische Affinität der Menschen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Auf der anderen Seite kämpfen die Organisationen in Teilen mit sehr heterogenen und individuellen IT-Infrastrukturen und -Systemen. Darüber hinaus gewinnen Datenschutz und Datensicherheit zunehmend an Bedeutung. Gerade auf Seiten der IT-Systeme, getrieben durch die technischen Innovationen, entstehen in kurzer Zeit immer neue Lösungen. Folgerichtig ist der Anbietermarkt bezüglich Content, IT-Systemen und Services rund um „Lernen“ intransparent.
Erfolgskritisch in diesem Zusammenhang, sind sehr geringe technischen Eintrittsbarrieren und die Usability. Wissensaneignung und Wissensweitergabe sollten einfach und motivierend sein, Informationen und Wissen sind entsprechend zu schützten. Dies sollte Zeit-, Ort- und Device-Unabhängig selbstverständlich möglich sein.
Zwei Aspekte – Rahmenbedingungen der Organisation und Nutzer/Zielgruppen – gilt es durch geschickte Kombination von Vorhandenem und Neuem zu verbinden.
Hier bieten sich „Software as a Service“ – Lösungen an, die internetbasiert sind, da der Aufbau und Betrieb einer Lern-Infrastruktur nicht gerade zu den Kernkompetenzen eines Produktionsbetriebes in der metall-verarbeitenden Industrie gehört.
Monitoring und Optimierung als kontinuierliche Aufgabe verstehen
Damit die Wirksamkeit der Komponenten Prozesse, Content und Technik bewertet werden kann, ist ein systematisches und permanentes Monitoring erforderlich. Die Monitoring-Objekte werden stets organisations- und situationsspezifisch definiert und periodisch oder ad-hoc analysiert. Die Analyseergebnisse werden entsprechend aufbereitet und kommuniziert. Sollten Handlungsbedarfe erkannt werden, sind Optimierungs-maßnahmen zu ergreifen, umzusetzen und deren Wirksamkeit zu messen.
Werden beim Suchen nach Schlagworten gehäuft keine „Treffer“ im Angebot gefunden, besteht Hand-lungsbedarf. Erkenntnisse aus dem Monitoring der Lern-Infrastruktur, die übergreifenden Charakter haben, sollten an das Management der Wertschöpfungsketten kommuniziert werden, da auch das Handlungsbedarf aufzeigt.
Konklusion
Unter Infrastruktur versteht man oft zuerst die „hard facts“ Kabel, Rohre oder Straßen. Im Zusammenhang mit Lernen bekommt dieser Begriff jedoch eine weitere, dynamische Dimension. Aufgrund dieser Dynamik in Verbindung mit Tendenzen wie „Halbwertzeit des Wissens“ ist nur durch eine ganzheitlich gemanagte Lern-Infrastruktur, bestehend aus
- Prozessen
- Content
- Technik
- Monitoring und Optimierung
eine zukunftsfähige Basis für eine „Lernende Organisation“ gegeben.
Klaus Barrig, HLP Barrig & Partner