Artikel aus RheinZeiger - Ausgabe 36
Den richtigen Investor oder Business Angel zu finden, kann für ein Startup gerade am Anfang kriegsentscheidend sein, da dieser neben seinem Kapital vor allem auch Netzwerk und Erfahrung mit einbringt. Dieser „X-Faktor“, zur richtigen Zeit den richtigen Impuls zu setzen, wird oftmals unterschätzt.
Bevor man sich für einen potenziellen Partner entscheidet, sollte man jedoch sein eigenes Stadium kennen und fair reflektieren, ob ein Investment zum aktuellen Zeitpunkt für beide Seiten passen kann. Oft empfiehlt es sich, als sehr junges Startup oder gar vor der Gründung zunächst nach einem Business Angel Ausschau zu halten, der in dem Zielmarkt bereits gut vernetzt ist und wertvolle Kontakte zu potenziellen Produktionspartnern, Investoren und Vertriebspartnern herstellen kann.
Eine andere Möglichkeit ist die Teilnahme an einem Accelerator Programm. Auch hier erfahren Gründer erste Unterstützung in Form von Coachings und Zugang zu einem Netzwerk. In beiden Fällen ist es entscheidend, den richtigen Partner für die eigene Branche auszuwählen. Busi-ness Angel ist nicht gleich Business Angel und Accelerator ist nicht gleich Accelerator.
Hat man die erste Hürde erfolgreich genommen, führt der nächste Schritt meist zu einem Seed-Investor. Dieser ist in vielen Fällen das Eintrittsticket in die Venture Capital Welt. Mein Investmentfonds Freigeist fokussiert sich auf Seed-Investments im Deep Tech Bereich. Unser Sweetspot liegt also bei jungen Tech-Startups, die entweder schon ein Accelerator Programm durchlaufen haben, oder erste Schritte mit einem Business Angel gelaufen sind und die be-reits einen Prototyp oder eine Betaversion vorzeigen können, um die entwickelte Technologie zu demonstrieren. Hierbei ist jedoch sehr wichtig, dass die Captable noch „gesund“ ist – sprich, dass noch nicht zu viele Parteien an Board sind und noch genügend Anteile für weitere Investmentrunden bei den Gründern liegen.
Wie findet man den richtigen Investor?
Da man besonders zu Anfang nicht unendlich viele Investoren in sein Unternehmen holen sollte, ist es extrem wichtig, die richtigen Partner zu finden. Im Idealfall ist das Investment der Startschuss für eine langjährige, enge Zusammenarbeit. Wenn wir mit Freigeist in ein Startup investieren, steigen wir im Anschluss insbesondere in den ersten 18 Monaten sehr tief ins operative Geschäft ein und unterstützen bei Themen wie HR, Finanzen, Brandbuilding, Sales, PR und Fundraising. Unsere eingebrachte Zeit und Expertise sind hierbei noch viel mehr wert als unser eingebrachtes Kapital. Es empfiehlt sich also in jedem Fall, nach einem Investor zu suchen, der neben seinem Investment auch operative Unterstützung und Know-How einbringt. Man spricht hier von smart money vs. dumb money.
Eine weitere Unterscheidung ist die zwischen strategischen- und Finanz-Investoren. Strate-gische Investoren können zum Beispiel Konzerne sein, die in ein Startup aus ihrem Kernmarkt investieren, um es potenziell einzugliedern oder Produktionspartner, die durch ihr Investment die Produktion langfristig an sich binden wollen. Hier spricht man in unserem Geschäft dann oft von einer sogenannten „poison pill“, da die Interessen oftmals nicht die gleichen sind und man sich den Weg zum Exit langfristig verbaut.
Aber auch bei Finanz-Investoren gilt es, neben den kommerziellen Terms auch auf Dinge wie persönliches Zusammenspiel, zusätzlich eingebrachten Mehrwert und Vertragsklauseln wie Vesting, Sonderrechte zur Veräußerung von Anteilen, Liquidationspräferenzen und Co. Zu achten. Letztendlich muss es zwischen allen Parteien passen, damit eine harmonische und konstruktive Zusammenarbeit gewährleistet sein kann. Deshalb ist es bei Freigeist auch üblich, dass wir vor Deal-Abschluss mindestens einmal mit den Gründern und Partnern essen gehen, um uns auch auf persönlicher Ebene besser kennenzulernen. Wenn wir ein Investment tätigen, dann geht dies mit einem sehr hohen Zeit-Commitment einher. Deshalb ist es uns extrem wichtig, dass wir mit den Gründern auf einer Wellenlänge sind, dass wir, metaphorisch gemeint, die gleiche Sprache sprechen. Den gleichen Anspruch sollte in meinen Augen auch jeder Gründer an seinen Investor haben. Damit potenzielle Gründer sich auch von uns über-zeugen können, bieten wir zum Beispiel Referenz-Gespräche mit unserem gesamten Portfolio an.
Wie überzeugt man Investoren von sich?
Hat man den passenden Investor gefunden, muss man ihn natürlich auch noch von seinem Startup, seinem Produkt, seiner Idee überzeugen. Hier kommt es wie bereits beschrieben auf das passende Stadium an. Für uns als Seed-Investoren ist es aber sehr hilfreich, wenn uns das Gründerteam bereits einen funktionierenden Prototyp oder ein Proof of Concept vorlegen kann. Außerdem ist es immer empfehlenswert, herauszuarbeiten, wie sich dein Produkt oder deine Technologie von anderen absetzt. Was ist der „unfaire“ Vorteil? Gibt es besondere IP, besonderen Zugang in den Markt, besonderes Know-How? Neben dem Produkt muss auch das Gründerteam stimmen. Das ideale Gründerteam bringt unterschiedliche Stärken an den Tisch und ist möglichst diversifiziert.
Bei einer Series A Finanzierung sehen die Anforderungen schon etwas anders aus. Hier sollte das Produkt bereits fertig entwickelt und der Product Market Fit klar belegt sein. Auch eine klare Wachstumsstrategie mit fest definierten Milestones sollte bereits erarbeitet sein. Das Gründerteam braucht außerdem an diesem Punkt bereits ein starkes Team im Hintergrund, mit dem es die definierten Milestones erreichen kann. Daher lautet mein Tipp: sucht euch bereits am Anfang die richtigen Partner, die euch langfristig unterstützen und auf eurem Weg begleiten, um euch auf die nächsten großen Schritte vorzubereiten. Freigeist sieht sich als ein solcher Partner. Deshalb unterstützen wir unsere Portfolio-Unternehmen bei der Vorbereitung auf die Series A und darüber hinaus.
Fundraising in Zeiten von Corona
Wer in den letzten Monaten ein Investment gesucht hat, hatte es mitunter besonders schwer. Aufgrund der Corona-Krise war die Branche insgesamt nicht besonders risikofreundlich. Wir stellen in unserem Netzwerk aber fest, dass es bereits besser wird. Das Hamburger Gewürz-Startup Ankerkraut aus unserem DHDL-Portfolio hat erst vor kurzem mit EMZ einen neuen Investor an Board holen können und damit mitten in der Krise den bislang größten Teil-Exit in der Geschichte von DHDL hingelegt. Auch Lilium hat Ende März eine Finanzierungsrunde über mehr als 240 Millionen US-Dollar abgeschlossen, angeführt vom chinesischen Tencent. Es ist also auch zu Pandemie-Zeiten nicht unmöglich, an frisches Geld zu kommen. Dennoch würde ich dazu raten, aktuell vor allem auf warme Kontakte oder Intros zurückzugreifen und auch aus Sicht des Investoren auf einen passenden Fit zu achten, da die Bereitschaft, in einen unbekannten und gegebenenfalls unsicheren Markt zu gehen, aktuell natürlich besonders gering ist. Wer die Möglichkeit hat, sollte sich gegebenenfalls zunächst auf die Weiter-entwicklung des Produkts konzentrieren und seine Ressourcen beisammen halten, sofern aktuell im eigenen Markt nicht der richtige Zeitpunkt für eine Finanzierungsrunde ist.
Frank Thelen, Freigeist