Artikel aus RheinZeiger - Ausgabe 36
Finanzierung: Corona ist (für Gründer) mehr Chance als Risiko
Nach Angaben des Statistischen Bundes-amtes ist in Deutschland die Zahl der Gründungen im ersten Halbjahr um 9,4 Prozent gesunken. Zahlen von Startup-detector zeigen jedoch: Die Startup-Szene in Nordrhein-Westfalen hat sich besser entwickelt als im Landesdurchschnitt. Ein Gespräch mit Andreas Brünjes, Leiter des GründerCenters der Sparkasse KölnBonn, zeigt, was die Gründe dafür sind und warum es eine gute Idee sein kann, in der aktuellen Situation zu gründen.
RheinZeiger: Haben Sie mit der Corona-Krise überhaupt noch Anfragen von Gründern bekommen?
Andreas Brünjes: Das haben wir – und das überrascht mich offen gestanden auch nicht. Die Gründerszene in NRW, ganz speziell in Köln, profitiert generell von der Stärke der Wirtschafts-regionen entlang der Rheinachse und diese Stabilität zeigt sich nun auch in der Krise. Aktuell steigt bei uns sogar die Zahl der Gründungsanfragen. Für das Gesamtjahr gehen wir von deut-lich mehr als 500 aus.
Warum sind Sie nicht überrascht, dass das Interesse an Gründungen weiterhin hoch ist? Die Gründerszene ist vom Coronavirus hart betroffen. Manche Startups verzeichnen Umsatzeinbrüche von mehr als 90 Prozent. Weil sie kaum an frisches Kapital kommen, droht vielen jungen Firmen das Aus.
Andreas Brünjes: Das wirtschaftliche Umfeld ist derzeit zweifellos herausfordernd. Aber das betrifft fast alle Branchen und Unternehmen und nicht nur Startups. Interessanterweise beob-achten wir jedoch, dass der Konjunktureinbruch in Folge des Lockdowns bei Gründern wie eine Art Filter wirkt. Gerade weil die Bedingungen alles andere als einfach sind, wird derzeit nicht aus dem Bauch heraus gegründet. Stattdessen ist der Faktor Krisenfestigkeit von Anfang an fester Bestandteil des Konzepts. Jedenfalls kommen zu uns überdurchschnittlich viele überzeugende Unternehmerpersönlichkeiten mit guten, sorgfältig durchdachten Geschäftsideen. Das halte ich nicht für einen Zufall.
Was sind das für Geschäftsideen?
Andreas Brünjes: Das Spektrum ist vergleichsweise breit. Zum einen sind es klassische Geschäftsmodelle, die sich in der Corona-Krise als relativ stabil erwiesen haben – etwa im Bereich Lebensmitteleinzelhandel oder im Bereich des Handwerks. Ein zweiter Schwerpunkt liegt bei neuen oder bestehenden Geschäftsmodellen, die mit der Krise eine stärkere Nach-frage zu verzeichnen haben, also die so genannten Pandemie-Gewinner. Dazu zählt der Bereich rund um das Thema Digitalisierung wie zum Beispiel IT-Beratung und -Dienstleistung, Programmierung und Netzinfrastruktur.
In vielen dieser Bereiche waren die Geschäftsaussichten aber schon vor der Krise nicht wirklich schlecht, oder?
Andreas Brünjes: Für den einen oder anderen Sektor stimmt das sicherlich. Aber der entschei-dende Punkt ist: Für Gründer haben sich mit der Krise neue Chancen aufgetan, zumindest aber haben sich die Startchancen in vielen Fällen verbessert. Ich nenne ein Beispiel: Derzeit sind plötzlich sehr viele attraktive Ladenlokale verfügbar, die in puncto Mieten selbst in Toplagen durchaus erschwinglich sind. Einen guten Standort zu vertretbaren Kosten halte ich für einen elementaren Erfolgsfaktor für jedes Startup, selbst, wenn das Geschäftsmodell nicht auf direkten Kundenkontakt angewiesen ist, weil es digital basiert ist. Mit der Krise finden Gründer aber häufig auch ein für sie besseres Wettbewerbsumfeld vor. Während sie selbst ohne Altlasten in den Markt starten, haben in vielen Branchen selbst gestandene Platzhirsche Hilfskredite aufnehmen müssen. Die Rückzahlung dieser Verbindlichkeiten belastet in den kommenden Jahren die Liquidität dieser Unternehmen. Sie verringert zusätzlich den Spiel-raum für Investitionen, was dann oft auch zu Lasten der Innovationskraft geht. Am Ende stehen die Margen unter Druck und es stellt sich die Frage, ob sich dies über höhere End-kundenpreise auffangen lässt.
Nun starten aber auch die meisten Gründer mit einer Finanzierungslast – zum Beispiel, weil sie von Investoren oder etwa über Ihr Haus Darlehen aufnehmen, um ihre Geschäfts-idee ans Laufen zu bringen.
Andreas Brünjes: Das ist richtig. Aber der Unterschied zu etablierten Unternehmen ist, dass die Liquiditätsbelastung für die Rückzahlung dieser Verbindlichkeiten von Anfang an in den Businessplan mit einkalkuliert wird. Gleichzeitig werden Gründer aufgrund der andauernden Corona-Einschränkungen ihre Kosten höher ansetzen – etwa für ein umfassendes Hygiene-konzept. Das fängt bei der Wahl des Standortes an, geht über den Ladenbau beziehungsweise die Konzeption der Produktionsflächen und endet bei der Gestaltung der Kundenkontakt-zonen. Andererseits werden sie ihre Umsatz- und Rentabilitätsplanung wegen der unsicheren Konjunkturlage eher vorsichtig ansetzen. Durch eine solch ausgeprägt konservative Planung entsteht Potenzial für positive Überraschungen. Sollte zum Beispiel bereits Ende dieses Jahres oder Anfang kommenden Jahres ein Impfstoff gegen Covid-19 auf den Markt kommen, werden die Einschränkungen, die wir in den vergangenen Monaten erlebt haben, wahrscheinlich zügig gelockert werden oder sie fallen ganz weg. Gründer, die jetzt an den Start gehen, haben damit die Chancen, früher als geplant profitabel zu werden und damit schneller den Break-even zu schaffen.
Gibt es denn andere Möglichkeiten als über eine vorsichtige Planung das Gründungsrisiko zu senken?
Andreas Brünjes: Die gibt es. Mit der Corona-Krise ist der Markt für Firmenübernahmen in Bewegung gekommen. Viele Alteigentümer haben die Pandemie zum Anlass genommen, ihre Nachfolgeregelung, die sie bislang hinausgeschoben haben, anzugehen. Weil es familienintern häufig an einem Nachfolger mangelt, werden nun verstärkt externe Kandidaten gesucht, die den Betrieb weiterführen. Angesichts des dynamischen Umfelds sind die bisherigen Firmen-chefs häufig bereit zu akzeptieren, dass der Übernehmer eine Neuausrichtung vornimmt. Einer Gründung steht das praktisch kaum nach. Aber es gibt vorhandene Strukturen, auf die man bei Bedarf bauen kann.
Andreas Brünjes, Sparkasse KölnBon